Der folgende Abschnitt aus Niklas Luhmanns „Vertrauen – Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität„ gibt einen passsenden Hinweis auf das, was beim Abbau bürokratischer Hemmnisse mit Augenmaß vor allem beachtet werden muss. Luhmann setzt eine Veränderung der Misstrauensroutine in eine Routine des Vertrauens voraus, oder zumindest den Willen, es zu versuchen:
„Trotz aller Bemühungen um Organisation und rationale Planung kann nicht alles Handeln durch sichere Voraussicht seiner Wirkungen geleitet sein. Es bleiben Unsicherheiten zu absorbieren, und es muss Rollen geben, denen diese Aufgabe in besonderem Maße obliegt. Solche Rollen, etwa die des Politikers oder die des leitenden Managers, werden typisch nicht durch Standards, sondern am Erfolg kontrolliert, eben weil das richtige Handeln nicht im Voraus genau genug erkannt werden kann. Erfolg aber stellt sich erst nach dem Handeln ein oder nicht ein. Man muss sich jedoch vorher engagieren. Dieses Zeitproblem überbrückt das Vertrauen, das als Vorschuss auf den Erfolg im Voraus auf Zeit und auf Widerruf gewährt wird (…). Das Komplexitätsproblem wird auf diese Weise verteilt und dadurch verkleinert: Einer vertraut dem anderen vorläufig, dass er unübersichtliche Lagen erfolgreich meistern wird, also Komplexität reduziert, und der andere hat auf Grund solchen Vertrauens größere Chancen, tatsächlich erfolgreich zu sein.“
Eine weitere Übertragung ermöglicht die siebzehnte Eröffnung des Dao De Jing des Philosophen Lǎo Zǐ. Offenbar gab es auch früher (hier im 6. Jahrhundert v.Chr.) schon Dynamiken, die Vertrauen und Kreativität eingeschränkt haben. Auch da schon ein Grund: Misstrauen, Angst und Stillstand mangels natürlicher Autorität der Führung. Schade eigentlich, dass sowas immer noch vorkommt. Dabei kann man das bearbeiten. Die siebzehnte Eröffnung lautet:
Die höchste Herrschaft ist die, von der niemand Kenntnis nimmt,
Das Nächstniedere will man mit anderen vertraut sein und gelobt werden,
Das Nächstniedere ist das Gefürchtetwerden,
Das Nächstniedere ist Verachtetwerden
Ist das Vertrauen nicht ausreichend, so wird nicht vertraut.
Der Gelassene wählt seine Worte mit Bedacht.
Die Arbeiten werden erledigt, die Aufgaben werden erfüllt,
und alle Hundert Familien sagen dazu: „Wir sind aus uns selbst so.“
Michael Hammes, der Übersetzer dieses Textes, erläutert: „Wenn Vertrauen durch gegenseitige Anerkennung nicht gelingt, etabliert sich eine Herrschaft durch Einschüchterung. Wenn diese nicht gelingt, etabliert sich eine Gewaltherrschaft, die Verachtung in den Herzen der Menschen hervorruft. Soll nichts erzwungen werden, wägt man die Worte gut ab.“
Ein wichtiger Hinweis, sich für die Vorbereitung auf wichtige Gespräche Zeit zu nehmen und die Inhalte auf Ihre Wirkung hinsichtlich der Bildung von Vertrauen zu überprüfen.
Quellen:
Luhmann, N. (2000): Vertrauen – Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, Lucius & Lucius, Stuttgart, S. 30 ff.
Hammes, M. (2019): Dao De Jing – Lǎo Zǐ, Manesse, München, S.115 ff.
