Neulich las ich in dem Fotoband „Adenauer – Ein Portrait“ des Fotografen Will McBride einen Abschnitt über Adenauers besonderen Fähigkeiten und Eigenschaften. Kurz zum Hintergrund, für diejenigen, die nicht mehr so genau wissen, wer das war. Konrad Adenauer (1876 – 1967) war bis zum Beginn der Nazi-Herrschaft 1933 und dann wieder kurz nach Ende des 2. Weltkrieges Oberbürgermeister der Stadt Köln. Kleine Anmerkung: Der schöne Grüngürtel, die Parkanlage, die den inneren Bereich der ganze Stadt auf beiden Seiten des Rheins umschließt und als Luftfilter der Großstadt dient, ist in weiser Voraussicht bereits nach Ende des 1. Weltkrieges durch ihn initiiert worden. Alter weißer Mann: sehr lobenswert! Funktioniert nach wie vor bestens. Von 1949 bis 1967 war er dann Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Wer sich in Erinnerung ruft oder sich davon erzählen lässt, wie es 1949 im Lande aussah, sieht ein völlig zerstörtes Land, Not und Elend und sehr schlecht gestimmte Nachbarländer, denen Deutschland Besetzung, Tod und Zerstörung gebracht hat. Adenauer wurden besondere Eigenschaften zugeschrieben, mit denen es ihm gelang, mit seinen ärgsten Feinden, darunter in erster Linie Frankreich (da gab es schon eine Vorgeschichte), Verbindungen zu knüpfen, die es der Bundesrepublik ermöglichten, flapsig gesagt, sich wieder sehen lassen zu können. So viel dazu, und nun zu dem Abschnitt aus dem McBride Bildband. Dort las ich also Folgendes: „Vor wichtigen Verhandlungen, wie beispielsweise vor seinem ersten Zusammentreffen mit de Gaulle, lässt er sich bis ins Detail über die persönlichen Interessengebiete, über Liebhabereien, Schwächen und Stärken seines Partners unterrichten. Es ging ihm nicht nur darum, die wunden Stellen herauszufinden, sondern sich selbst auch ansprechender darzubieten, den Partner durch Gespräche über solche Liebhabereien für sich einzunehmen und für den entscheidenden sachlichen Teil der Verhandlungen kompromissbereiter zu stimmen. Mit Kurt Schumacher (seinem ärgsten damaligen politischen Widersacher aus der SPD, Anm. JD) unterhielt er sich einmal mehr als eine Stunde nur über Hundezucht, obwohl er ihn zu einem politischen Gespräch gebeten hatte. Man hatte ihm berichtet, daß Schumacher ein großer Hundefreund war und so wollte er ihn an dieser menschlichen Stelle fassen.“
Aha, dachte ich mir, dass erinnert Dich doch an Paul Watzlawick und seine 5 Axiome der Kommunikation, und schau mal an, das bestätigt doch Deine jahrelangen Erfahrungen mit der Vorbereitung von Krisengesprächen.
In unseren Vorbereitungen wird zu Beginn immer wieder darauf hingewiesen, dass das einzig wirklich wirksame „Führungswerkzeug“ einer Führungskraft das persönliche Gespräch ist. Nicht die E-Mail, nicht das Telefonat oder die Videokonferenz.
Und, dass man in krisenhaften Situationen dieses „Werkzeug“ sehr gut vorbereitet einsetzen muss, weil sich letztendlich in diesem einen Gespräch so ziemlich alles Weitere entscheidet. Alles Weitere meint in unserem Fall, dass die blockierte Energie wieder fließen kann.
Das erste Axiom lautet bekanntermaßen „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Wer in Gesprächen seine Mimik und Gestik im Auge behält, ist also nicht schlecht beraten (alle 5 Axiome finden Interessierte übrigens am Ende dieses Textes).
Das zweite Axiom, welches letztendlich die Verbindung zu dem Adenauer-Abschnitt herstellt, halte ich für die Gesprächsvorbereitung für bedeutsamer: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei letzterer den ersten bestimmt.“ Ich wiederhole: „Wobei letzterer den ersten bestimmt“.
Hat man also ein Gespräch vor der Nase, dass für einen selbst und die jeweiligen Gesprächspartner richtungsweisend sein soll, ist auf jeden Fall zu beachten, dass Ablauf, Umgang und Ergebnis von großem Interesse für die Akteure im Umfeld sind. Beachtenswert deshalb, weil die Interpretationen aufgrund der Komplexität der Beziehungen und ihrer Geschichte(n) im Umfeld nicht vorhersehbar sind.
Daher: volle Aufmerksamkeit auf die Vor-Bereitung. Und da gibt es nur eine Möglichkeit (siehe Adenauer): eine frühzeitige, präzise Vorbereitung, möglichst viele, ich zitiere: „Details über die persönlichen Interessengebiete, über Liebhabereien, Schwächen und Stärken seines Gesprächspartners bzw. seiner Gesprächspartnerin.“
Denn in der Vorbereitung auf Krisengespräche kommt die Beziehung vor dem, ich zitiere nochmal: „entscheidenden sachlichen Teil der Verhandlungen“.
Alles Weitere dazu: siehe Führungswerkzeuge!
Quelle: Will McBride / Hans-Werner Graf Finck von Finckenstein (1965): Adenauer – Ein Porträt, S. 96, Josef Keller Verlag, Starnberg
Hier die 5 Axiome in Gänze:
- Man kann nicht nicht kommunizieren
- Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt
- Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung
- Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten
- Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär
Quelle: https://www.paulwatzlawick.de/axiome.html
